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Was ist ein HWS-Syndrom?
Unter dem Begriff HWS-Syndrom (auch Zervikalsyndrom genannt) werden unterschiedliche Beschwerden zusammengefasst, die in der Halswirbelsäule (HWS) auftreten. Typische Symptome sind Verspannungen, Kopfschmerzen und Schwindel, die von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen andauern können. Oft strahlen die Schmerzen sogar in die Arme und Hände aus, da die Halswirbelsäule in enger Verbindung mit wichtigen Nervenstrukturen steht.
Die Halswirbelsäule besteht aus sieben Halswirbeln und ist der beweglichste Abschnitt unserer gesamten Wirbelsäule. Sie ermöglicht es uns, den Kopf in viele Richtungen zu drehen und zu neigen. Außerdem trägt sie unser wichtigstes Organ, das Gehirn. Wer schon einmal einen steifen Nacken oder Nackenschmerzen hatte, merkt schnell, wie entscheidend diese Beweglichkeit ist – und was fehlt, wenn sie eingeschränkt ist.
Wie kann ein HWS-Syndrom entstehen?
Die Ursachen für das HWS-Syndrom sind vielfältig und häufig nicht auf den ersten Blick erkennbar. Typische Gründe sind:
Fehlhaltungen und Fehlbelastungen: Wer beispielsweise viel am Schreibtisch sitzt oder einseitige Körperhaltungen einnimmt, belastet seine Halswirbelsäule oft dauerhaft falsch. Dies kann zu schmerzhaften Verspannungen führen.
Übergewicht und Schwangerschaft: Ein erhöhter Körperumfang oder eine veränderte Körperstatik (z. B. während der Schwangerschaft) können die Wirbelsäule zusätzlich beanspruchen und ein HWS-Syndrom begünstigen.
Schleudertrauma nach Unfällen: Durch plötzliche, ruckartige Bewegungen des Kopfes (wie bei einem Auffahrunfall) kann es zu Verletzungen an Muskeln, Bändern oder Bandscheiben der Halswirbelsäule kommen.
Stress und nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus): Wer vor allem nachts mit den Zähnen knirscht, überträgt hohe Kräfte auf den Kiefer- und Nackenbereich. Die daraus entstehenden Verspannungen können sich bis in die Halswirbelsäule fortsetzen.
Ernährungsbedingte Organstörungen: Aus Sicht der Osteopathie können auch Probleme in anderen Körperregionen ein HWS-Syndrom auslösen. Ein Beispiel ist eine Fettleber, die Spannung auf die Leberkapsel ausüben kann. Diese steht über den Nervus phrenicus, der aus der mittleren Halswirbelsäule entspringt, in Verbindung mit der HWS. So können Störungen an den Organen Reflexverspannungen in Nacken und Schultern hervorrufen.
Handynacken (Text-Neck): Durch das dauerhafte Nach-unten-Schauen auf das Smartphone werden Nacken und Schultern übermäßig belastet. Dies führt häufig zu chronischen Verspannungen in der Halswirbelsäule.
Wie lange dauern Nackenschmerzen beim HWS-Syndrom?
Die Dauer von Nackenschmerzen beim HWS-Syndrom kann individuell stark variieren. Während manche Betroffene nur wenige Tage Beschwerden verspüren, leiden andere mehrere Wochen oder sogar Monate unter den Schmerzen. Dabei spielen vor allem der Auslöser der Beschwerden, der Schweregrad sowie die Art der Behandlung eine wichtige Rolle. Handelt es sich beispielsweise lediglich um eine muskuläre Verspannung, können Wärmebehandlungen und gezielte Übungen oft schon nach wenigen Tagen spürbare Linderung bringen. Liegen degenerative Veränderungen an der Halswirbelsäule vor, kann sich die Genesung länger hinziehen.
Auch das persönliche Verhalten und der Lebensstil beeinflussen die Heilungsdauer erheblich. Wer einer sitzenden Tätigkeit nachgeht, ohne regelmäßige Ausgleichsbewegung und Dehnübungen, läuft Gefahr, dass sich die Nackenschmerzen hartnäckig halten. Zudem können chronischer Stress oder eine ungünstige Körperhaltung die Beschwerden verstärken oder verlängern. Akute Verspannungen dauern in der Regel bis zu sechs Wochen an. Wenn die Beschwerden aber länger als zwölf Wochen bestehen, spricht man von chronischen Nackenschmerzen.
HWS-Syndrom: Die unterschiedlichen Formen auf einen Blick
Lage
Oberes HWS-Syndrom: Betroffen sind die oberen Halswirbel (1. und 2. Halswirbel).
Mittleres HWS-Syndrom: Betrifft die mittleren Halswirbel (3., 4. und 5. Halswirbel).
Unteres HWS-Syndrom: Umfasst die unteren Halswirbel (6. und 7. Halswirbel).
Dauer
Akutes HWS-Syndrom: Die Schmerzen und Verspannungen dauern nur wenige Tage bis maximal drei Wochen an.
Chronisches HWS-Syndrom: Die Beschwerden sind länger als drei Monate vorhanden.
Ursache
Funktionelles HWS-Syndrom: Durch Schonhaltungen, Fehlhaltungen oder Überbelastung kommt es zu schmerzhaften Verspannungen in der Halswirbelsäule.
Degeneratives HWS-Syndrom: Verschleiß und Abnutzung der Halswirbel (z. B. bei älteren Menschen oder durch lange einseitige Belastung) können zu dauerhaften Veränderungen führen.
Posttraumatisches HWS-Syndrom: Nach einem Unfall oder einem starken Stoß (Trauma) können Beschwerden in der Halswirbelsäule entstehen.
Verlauf der Schmerzen
Axiale Nackenschmerzen: Die Schmerzen treten vor allem direkt am Nacken auf und strahlen weniger in andere Bereiche wie Schultern oder Arme aus.
Radikuläre Nackenschmerzen: Hier können die Schmerzen auch in Kopf, Schultern oder Arme ausstrahlen. Häufig kommen Kopfschmerzen oder ein Kribbeln beziehungsweise Taubheitsgefühle in den Armen hinzu.
Der Körperkompass
Gesundheitswissen aus der Osteopathie-Praxis
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248 Seiten, 154 x 205 mm, broschiert, mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Erscheinungsdatum: 23.01.2025
Wann sollten Sie mit Nackenschmerzen zum Arzt gehen?
In vielen Fällen klingen die Beschwerden nach wenigen Tagen wieder ab, wenn sich der Körper erholt oder die Belastungssituation geändert wird. Halten die Schmerzen jedoch an oder kommen zusätzliche Symptome wie Schwindel und Taubheitsgefühle hinzu, sollten Sie umgehend ärztlichen Rat einholen. Eine fachkundige Abklärung ist vor allem dann wichtig, wenn neurologische Auffälligkeiten (z. B. Kribbeln in den Fingern oder Schwächegefühle in den Armen) auftreten.
Typische Symptome bei einem HWS-Syndrom!
Nacken- und Rückenschmerzen, die bis in Arme und Hände ausstrahlen können
Kopfschmerzen oder Schmerzen beim Bewegen des Kopfes
Schwindel und Übelkeit
Muskelverspannungen und Verhärtungen
Kribbeln und Taubheitsgefühle in den Fingern
Dabei können auch Schwindelgefühle oder Tinnitus durch verspannte Nackenmuskeln entstehen: Drücken die verspannten Muskeln auf einen Nerv, sendet das Gehirn möglicherweise fehlerhafte Signale an das Gleichgewichtszentrum. Neben Schwindel und Übelkeit können so auch Ohrgeräusche, Schluckbeschwerden oder Herzrasen ausgelöst werden.
HWS-Prolaps: Bandscheibenvorfall als Ursache eines HWS-Syndroms!
Liegt dem HWS-Syndrom ein Bandscheibenvorfall zugrunde, sind häufig die aus der Halswirbelsäule austretenden Nervenwurzeln betroffen. Dies kann zu Gefühlsstörungen wie Zittern, Kribbeln und Schwäche in den Armen führen. In ausgeprägten Fällen fallen Betroffenen gelegentlich Gegenstände aus der Hand.
Sind keine Nerven bedrängt, äußert sich der Bandscheibenvorfall häufig nur durch eine muskuläre Schutzspannung. Der Körper versucht dadurch, bestimmte Bewegungen zu vermeiden und weitere Schäden abzuwenden. In dieser Situation ist intensives Dehnen keine gute Idee, da die erhöhte Muskelspannung als Schutz für die empfindlichen Nervenstrukturen fungiert.
Warum kann ein HWS-Syndrom Sehstörungen auslösen?
Bei starken Verspannungen im Kopf- und Nackenbereich kann es zu Durchblutungsstörungen im Bereich der Sehnerven kommen. Dadurch tritt mitunter ein Flimmern vor den Augen auf. Umgekehrt können jedoch auch Sehstörungen selbst zu Verspannungen im Nacken führen – beispielsweise wenn eine fehlerhafte Fokussierung beim Sehen dazu führt, dass man unbewusst den Kopf oder Nacken verkrampft. In diesem Fall ist eine augenärztliche Abklärung sinnvoll, um mögliche Sehfehler zu beheben.
Verspannungen können auch das vegetative Nervensystem reizen, das in einer Kette von Nervenknoten (sogenannten Ganglien) entlang der Wirbelsäule verläuft. Dieser Abschnitt des sympathischen Nervensystems wird als „Grenzstrang“ bezeichnet.
Im Halsbereich nennt man ihn den „zervikalen Sympathikus“. Er besteht aus drei Ganglien (superius, medium und inferius), die unter anderem die Pupillenweite und Teile des Gesichts beeinflussen. Wird dieser sympathische Nerv im Halsbereich gereizt oder geschädigt, kann beispielsweise ein Horner-Syndrom auftreten (Ptosis = hängendes Augenlid, Miosis = verengte Pupille, Anhidrose = fehlendes Schwitzen).
Weitere mögliche Symptome sind Spannungsgefühle, ein allgemeines Druckgefühl hinter dem Auge oder leichte Sehstörungen.
Das HWS-Syndrom aus osteopathischer Sicht!
Osteopathen betrachten den Körper ganzheitlich. Bei der Behandlung eines HWS-Syndroms wird somit nicht nur die Halswirbelsäule selbst untersucht, sondern auch andere Körperstrukturen, die möglicherweise Einfluss darauf haben. Beispielsweise können ein Beckenschiefstand oder funktionelle Störungen der Organe im Bauchraum (etwa Leber, Magen oder Darm) zu Fehlhaltungen führen, die sich letztlich in Form von Nacken- und Kopfschmerzen äußern.
So kann eine Leberverfettung zu Durchblutungsstörungen führen, die zu einem Anschwellen der Leber führen. Dadurch wird die äußere Hülle (die Leberkapsel) gedehnt und gereizt. Diese Hülle ist mit dem Zwerchfellnerv (N. phrenicus) verbunden. Dieser Nerv entspringt der mittleren Halswirbelsäule, wohin er die Schmerzsignale nun nach oben ins Rückenmark weiterleitet. Im Rückenmark wird diese Information verarbeitet und eine Reaktion ausgelöst, die dazu führt, das Muskeln am Hals stärker angespannt (man spricht von Hypertonus) werden. Dadurch kann es zu Verspannungen und Schmerzen kommen.
Diese ganzheitliche Sichtweise hilft, die tatsächlichen Ursachen der Beschwerden aufzuspüren und nicht nur die Symptome zu lindern.
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