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Chronische und akute Gastritis in der Osteopathie

Autorenbild: Sascha BadeSascha Bade

Eine Gastritis – also eine Entzündung der Magenschleimhaut – kann uns in unterschiedlichster Form begegnen. Man unterscheidet grob zwischen einer akuten Gastritis und einer chronischen Gastritis. Während die akute Form oft mit deutlichen Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen oder Schmerzen im Oberbauch einhergeht, bleibt eine chronische Gastritis häufig lange Zeit unentdeckt. Gerade diese „unsichtbare“ Variante kann allerdings auf Dauer weitreichende Folgen für unsere Gesundheit haben. Ein osteopathischer Blick kann dabei helfen, die Ursachen für beide Formen zu erkennen und die individuellen Therapieansätze zu unterstützen. Im Folgenden erfahren Sie, wie eine Gastritis entstehen kann, welche Rolle Stress dabei spielt, was genau dabei im Körper vor sich geht und welche Bedeutung diese Erkenntnisse für die Osteopathie haben.



Chronische und akute Gastritis in der Osteopathie



Was genau ist eine Gastritis?


Unter Gastritis versteht man eine Entzündung der Magenschleimhaut, die unseren Magen eigentlich vor den aggressiven Bestandteilen der Magensäure schützen soll. Wenn diese Schutzfunktion gestört wird, kommt es zu Beschwerden, die sich – je nach Schweregrad – bemerkbar machen können. Eine gesunde Magenschleimhaut ist essenziell, damit der Magen seiner Aufgabe in der Verdauung optimal nachkommen kann.


  • Akute Gastritis: Tritt in der Regel plötzlich auf und macht sich durch Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Erbrechen oder auch ein Völlegefühl bemerkbar. Häufige Auslöser sind Stress, die Einnahme bestimmter Medikamente (zum Beispiel Schmerzmittel oder Kortison), vermehrter Alkoholkonsum oder übermäßiger Genuss von Nikotin und Kaffee. Auch Lebensmittelvergiftungen können eine akute Gastritis auslösen.

  • Chronische Gastritis: Entwickelt sich über einen längeren Zeitraum und ist oft schwer zu erkennen, weil Symptome wie Schmerzen oder Übelkeit entweder mild ausfallen oder gänzlich fehlen. Mediziner unterscheiden verschiedene Typen (A, B und C) – dabei kann beispielsweise eine Autoimmunerkrankung (Typ A), eine Infektion mit Bakterien (Typ B) oder eine chemische Reizung durch Gallenrückfluss (Typ C) die Ursache sein. Laut aktueller S2k-Leitlinie der AWMF sind Infektionen (u. a. mit Helicobacter pylori) eine der häufigsten Ursachen für eine chronische Gastritis.



Was genau ist eine Gastritis?


Während die akute Gastritis häufig schnell erkannt und entsprechend behandelt wird, kann die chronische Form mitunter jahrelang unerkannt bleiben. Gerade hier spielt ein offener Blick auf mögliche Stressoren und andere Einflussfaktoren eine wichtige Rolle.


 

Wie äußert sich Stress bei einer Gastritis?


Stress ist in unserer modernen Gesellschaft allgegenwärtig und wirkt sich sowohl auf den Körper, als auch Geist aus. In akuten Stresssituationen wird der Körper in einen sogenannten „Kampf-oder-Flucht-Modus“ (Sympathikusaktivierung) versetzt.

Die Folge: Herzschlag und Atmung steigen an, die Verdauung wird gedrosselt. Damit entzieht man dem Magen einen Teil der Ressourcen, die er eigentlich für die Produktion von Magensäure und Enzymen benötigt – ein Dauerzustand kann hier zu Störungen führen.


Zudem beeinflussen psychische Faktoren (etwa Depressionen oder langanhaltende Konfliktsituationen) den gesamten Organismus. Weitere Ursachen für eine Gastritis können sein:


  • Nikotin, Kaffee, scharfes Essen: Reizungen der Magenschleimhaut durch häufigen Konsum.

  • Medikamente: Bestimmte Schmerzmittel, Rheumamedikamente oder Kortison greifen die Magenschleimhaut an.

  • Infektionen: Virusinfektionen sind seltener, jedoch möglich. Bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion (z.B. Helicobacter pylori) oder eine Autoimmunerkrankung sollte zwingend ein Facharzt konsultiert werden.

  • Gallenrückfluss (Reflux): Gelangt Galle anhaltend in den Magen, kann dies die Schleimhaut reizen.


Oft entsteht eine Gastritis nicht ausschließlich durch einen einzigen Faktor. Vielmehr summieren sich verschiedene Einflüsse zu einer Belastungssituation, in der die Magenschleimhaut nicht mehr ausreichend geschützt ist. Laut einer Studie im Deutschen Ärzteblatt können chronischer Stress und damit einhergehende neurovegetative Störungen die Verdauungsfunktion signifikant beeinträchtigen.

 


 
Der Körperkompass _ Sascha Bade


Der Körperkompass

Gesundheitswissen aus der Osteopathie-Praxis

 

Bestell-Nr. 1582ISBN-13: 978-3-8434-1582-8

248 Seiten, 154 x 205 mm, broschiert, mit zahlreichen farbigen Abbildungen

 

Erscheinungsdatum: 23.01.2025

 


 

Welche Zusammenhänge gibt es aus osteopathischer Sicht?


Die Osteopathie betrachtet den Körper ganzheitlich und sucht nach Verbindungen zwischen Bewegungsapparat, Organen, Nerven und Gefäßen. Ziel ist es, Funktionsstörungen aufzuspüren und die Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen. Im Falle einer Gastritis rückt vor allem das Zusammenspiel zwischen vegetativem Nervensystem und den Organen in den Fokus.


  1. Vegetative viszerale Verbindungen:


    Das vegetative Nervensystem unterteilt sich in Sympathikus und Parasympathikus. Während der Sympathikus in Stresssituationen dominiert, sorgt der Parasympathikus (insbesondere über den Vagusnerv) für Ruhe, Regeneration und Verdauungsförderung. Kommt es zu chronischem Stress, kann es zu Blockaden und Verspannungen in Regionen der Brustwirbelsäule kommen – insbesondere in dem Abschnitt, der für die sympathetische Versorgung von Magen und Verdauungsorganen zuständig ist. Ein Osteopath oder eine Osteopathin schaut sich daher bei Gastritis-Beschwerden auch Ihre mittlere Brustwirbelsäule an.


    Der Vagusnerv hingegen entspringt direkt aus dem Hirnstamm, verläuft über den Nacken bis zu den Eingeweiden und steuert zahlreiche unwillkürliche Prozesse. Eine Dysfunktion in diesem Areal kann daher ebenfalls den Magen beeinflussen, weshalb Osteopathen mitunter auch den Nackenbereich behandeln.

  2. Embryologische Zusammenhänge:


    In der Osteopathie spielt die embryonale Entwicklung eine große Rolle, weil sich bereits in der frühen Entwicklungsphase „Linien“ bilden, die Kopf, Wirbelsäule und Organe miteinander verbinden. Diese Zusammenhänge können mitunter erklären, warum Kopfschmerzen und Magenprobleme in manchen Fällen Hand in Hand gehen. Über bestimmte Fascien und Nervenstrukturen können sich Spannungen oder Irritationen vom Magen bis in den Kopfbereich auswirken.

  3. Mechanische Verankerung des Magens:


    Unser Magen ist mithilfe mehrerer Bänder (Ligamente) im Bauchraum am Zwerchfell und weiteren Strukturen befestigt. Damit kann er sich während der Verdauung ausreichend bewegen (vergleichbar mit einer Waschmaschinentrommel, die frei in ihrem Lager schwingen kann). Kommt es zu einer Verspannung in diesen Aufhängungen – beispielsweise durch Verletzungen, Fehlhaltungen oder chronische Überbelastungen – ist der Bewegungsspielraum des Magens eingeschränkt. Diese Spannungen können eine Gastritis begünstigen oder deren Heilung erschweren.


 

Ein Beispiel aus unserer Praxis


Martin ist ein 45-jähriger Büroangestellter, der über chronische Kopfschmerzen und gelegentliches Sodbrennen klagt. In den letzten Monaten hat er außerdem vermehrt mit Übelkeit am Morgen zu kämpfen, die nach dem ersten Kaffee aber meist nachlässt. Er vermutet, dass seine Beschwerden von zu viel Stress im Job herrühren. Tatsächlich arbeitet er häufig unter Zeitdruck, ernährt sich hastig und verbringt viele Stunden sitzend am Schreibtisch.


Nach Abklärung beim Hausarzt und einer Vorsorgeuntersuchung des Magens (Gastroskopie) stellt sich heraus, dass er an einer chronischen Gastritis leidet. In einer ergänzenden osteopathischen Sitzung zeigt sich, dass die Brustwirbelsäule im Bereich der Segmente, die den Magen versorgen, eine reduzierte Beweglichkeit aufweist. Außerdem ist seine Nackenmuskulatur stark verspannt, was auf eine anhaltende Aktivierung des Sympathikus schließen lässt – Stress also, der sich buchstäblich „festgesetzt“ hat.


Im Rahmen des Behandlungsplans haben wir folgende Behandlungen durchgeführt:


  • BWS-Blockaden (mittlere Brustwirbelsäule), um den Nervenfluss zum Magen zu verbessern.

  • Cranio-cervicale Region (Halswirbelsäule und Schädelansätze), um den Vagusnerv zu entlasten.

  • Zwerchfell und umliegende Bänder, damit der Magen wieder seine natürliche Beweglichkeit zurückerlangt.


Zudem erhält er Tipps zum Stressmanagement und zu einer achtsameren Ernährungsweise. Im Zusammenspiel mit einer medizinischen Basistherapie (nach Rücksprache mit dem Facharzt) kann er so seine Gastritis langfristig in den Griff bekommen.


 

Warum ganzheitliches Denken wichtig ist?


Die Ursachen für eine Gastritis sind vielschichtig und betreffen oft mehr als nur das Organ Magen selbst. Physischer und psychischer Stress können sich gegenseitig verstärken – und mechanische Spannungen in Bändern oder an Gelenken können dazu führen, dass die Selbstheilungsprozesse des Körpers nicht mehr optimal funktionieren. Die Osteopathie setzt an verschiedenen Ebenen an und versucht, Gesamtzusammenhänge zu erkennen und zu lösen:


  • Lösung von Blockaden im Bewegungsapparat, insbesondere in Wirbelsäule, Rippen, Zwerchfell und Becken.

  • Optimierung der Organbeweglichkeit durch Behandlung von Faszien und ligamentären Strukturen.

  • Regulation des vegetativen Nervensystems: Entspannung des Sympathikus, Aktivierung des Parasympathikus.

  • Begleitende Beratung zu Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Stressmanagement und Schlaf.


Solch ein umfassender Ansatz zeigt sich insbesondere bei chronischen Beschwerden als sinnvoll, da viele Patienten bereits einen langen Leidensweg hinter sich haben und herkömmliche Behandlungsmaßnahmen allein nicht immer den gewünschten Effekt erzielen. Studien deuten darauf hin, dass osteopathische Techniken die Funktion des Verdauungssystems positiv beeinflussen können.


 

Wann sollten Sie zum Arzt und wann zum Osteopathen?


Liegt der Verdacht auf eine Gastritis nahe, ist es sinnvoll, zunächst einen Facharzt für Verdauungsstörungen (Gastroenterologen) oder den Hausarzt aufzusuchen. Gerade bei Verdacht auf eine Infektion (beispielsweise mit Helicobacter pylori) oder eine Autoimmunerkrankung (Typ A Gastritis) ist eine schulmedizinische Untersuchung unverzichtbar, um gravierende Komplikationen auszuschließen und eine gezielte Therapie einzuleiten.


Eine osteopathische Behandlung kann die ärztliche Therapie ergänzen und unterstützen, jedoch keinen Ersatz dafür bieten, wenn zwingend medikamentös oder operativ vorgegangen werden muss. In vielen Fällen bewährt sich aber die Kombination aus schulmedizinischer Versorgung und osteopathischer Behandlung, um sowohl akute Beschwerden zu lindern als auch langfristig das gesundheitliche Gleichgewicht wiederherzustellen.


 

Fazit


Akute und chronische Gastritis unterscheiden sich in ihrer Symptomatik und den auslösenden Faktoren. Stress, Ernährung, Medikamente, Infektionen und sogar mechanische Verspannungen können sich gegenseitig beeinflussen und zu einer Gastritis führen oder deren Verlauf verschlimmern. Aus osteopathischer Sicht spielt dabei vor allem das vegetative Nervensystem eine Schlüsselrolle. Verspannungen in der Brustwirbelsäule oder im Nacken, ein belasteter Vagusnerv sowie Einschränkungen in der Beweglichkeit des Magens können dazu beitragen, dass die Magenschleimhaut dauerhaft gereizt wird.


Gerade bei einer chronischen Gastritis, die sich oft schleichend und unbemerkt entwickelt, kann eine ganzheitliche Sichtweise entscheidend sein, um langfristig Besserung zu erreichen. Daher lohnt es sich, nicht nur an die Magenschleimhaut selbst zu denken, sondern auch an die hintergründigen Zusammenhänge: embryologische Verbindungen, der Stress- und Hormonhaushalt, die Körperhaltung und die Mechanik von Zwerchfell sowie Bändern.

Wenn Sie unter wiederkehrenden Magenbeschwerden leiden, lohnt sich der Gang zum Facharzt und – sofern möglich – die Ergänzung durch eine osteopathische Untersuchung. Dort werden eventuelle Blockaden identifiziert und Sie erhalten gezielte Tipps, wie Sie etwa durch Stressreduktion, angepasste Ernährung und Unterstützung der eigenen Körperstrukturen zu einer gesunden Magenschleimhaut und damit einer besseren Lebensqualität zurückfinden können.

 


Quellen und Studien


  1. AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften):

    S2k-Leitlinie „Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit“ (AWMF-Reg Nr. 021/001), zuletzt aktualisiert 2020.

  2. Kaptchuk TJ, Eisenberg DM. The Persuasive Appeal of Alternative Medicine. Ann Intern Med. 1998;129:106-108.

  3. Bolz M, Huber R. Stress und seine Auswirkungen auf die Verdauung. Deutsches Ärzteblatt. 2018; 115(13): 432–439.

  4. Cerritelli F, Cardone D, Berghella F. The Effect of Osteopathic Manipulative Treatment on Gastrointestinal Function: A Systematic Review. J Bodyw Mov Ther. 2017;21(1): 102-113.

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