Arthrose im Knie – was wirklich hilft
- Sascha Bade
- 7. Juli
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Juli
Jahrelang galt Arthrose als reiner Verschleiß. Was abgenutzt ist, so dachte man, sollte möglichst geschont werden. Doch das ist ein Irrtum. Die neue deutsche S3-Leitlinie „Prävention und Therapie der Gonarthrose“ zeigt: Arthrose ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess. Im Gelenk finden ständig Umbauvorgänge statt – ähnlich wie auf einer Baustelle, die nie ruht.

Inhaltsverzeichnis:
Wer sich bewegt, fördert diese Prozesse positiv. Durch Bewegung werden Nährstoffe in den Knorpel transportiert und Abfallstoffe abgebaut. Ohne diesen Rhythmus verkümmert das Gewebe. Stellen Sie sich den Knorpel wie einen Schwamm vor: Jeder Schritt presst ihn aus, jede Entlastung saugt frische Gelenkflüssigkeit hinein. Deshalb lautet eine der wichtigsten Empfehlungen: Bleiben Sie in Bewegung. Schon zwei bis drei Stunden pro Woche reichen als Anfang – aufgeteilt in mehrere kurze Einheiten. Spazierengehen, Radfahren, Schwimmen oder leichtes Joggen sind gute Möglichkeiten. Entscheidend ist die Regelmäßigkeit.
Muskeln als körpereigene Stoßdämpfer
Viele Menschen mit Kniearthrose sind verunsichert. Darf ich das Gelenk noch belasten? Schadet Sport mehr, als er nützt? Die Antwort lautet: Gezielt eingesetzte Belastung ist hilfreich – insbesondere in Form von Krafttraining.
Eine gut trainierte Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur wirkt wie Stoßdämpfer. Diese Muskeln fangen einen großen Teil der Kräfte ab, die sonst direkt auf das Kniegelenk treffen würden. Das entlastet nicht nur die Gelenkflächen, sondern verbessert auch die Stabilität und Bewegungsqualität.

Krafttraining hat noch einen weiteren Vorteil: Es fördert die Durchblutung und damit die Versorgung des Knorpels. Durch wiederholten Druckwechsel wird der Knorpel wie eine Pumpe mit Nährstoffen versorgt.
Ein individuelles Übungsprogramm, abgestimmt auf Ihre Situation, reicht meist aus. Kniebeugen mit dem eigenen Körpergewicht oder Übungen an der Beinpresse sind bereits ein guter Start – sofern sie korrekt und kontrolliert ausgeführt werden. Wichtig ist: Sie müssen keine Gewichte stemmen wie im Leistungssport. Es geht um funktionelle Kraft, die Ihnen im Alltag hilft – beim Gehen, Treppensteigen und beim Zurückgewinnen von Vertrauen in den eigenen Körper.
Warum Abnehmen Arthroseschmerzen lindert
Schon kleine Veränderungen im Körpergewicht können einen großen Unterschied machen. Bereits fünf Prozent weniger Gewicht senken nachweislich die Schmerzen. Der Grund liegt in sogenannten stillen Entzündungen, die im Bauchfett entstehen und die Arthrose verstärken können.
Fünf Prozent klingt wenig – aber es lohnt sich. Bei einem Körpergewicht von 100 Kilogramm sind das gerade einmal fünf Kilo. Zusätzlich bedeutet jedes überflüssige Kilo eine erhebliche Zusatzbelastung: Beim Treppensteigen wirken Kräfte, die dem Vier- bis Sechsfachen des Körpergewichts entsprechen. Fünf Kilo weniger bedeuten also bis zu 30 Kilo weniger Druck auf das Knie – bei jeder einzelnen Stufe.
Dabei geht es nicht um Verzicht oder radikale Diäten. Schon kleine Umstellungen helfen: weniger Fleisch, mehr Gemüse, weniger verarbeitete Produkte. Das unterstützt nicht nur die Gewichtsreduktion, sondern reduziert auch Entzündungsprozesse im Körper – mit positiver Wirkung auf die Gelenke.

Hilfsmittel bei Arthrose im Knie
Es gibt eine Frage, die fast alle meiner Arthrose-Patienten stellen: “Was kann ich noch tun?“ Es ist also nicht verwunderlich, dass auf der Suche nach Linderung nach jedem Strohhalm gegriffen wird. Viele Betroffene versuchen ihr Glück dann mit Hilfsmitteln, wie Bandagen, Wassertherapie oder Stromanwendungen. Doch nicht alles, was angeboten wird, hält auch, was es verspricht.
Knieorthesen
Eine aktuelle internationale Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2025 zeigte, das Knieorthesen – also spezielle Stützschienen – hilfreich sind, wenn es um kurzfristige Schmerzlinderung bei Arthrose geht. Klingt erstmal vielversprechend, doch der Teufel steckt im Detail: Diese Hilfen sind nicht als Dauerlösung gedacht. Wer sie dauerhaft trägt, riskiert, dass die Muskulatur abbaut. Denn wenn die Orthese permanent das Gelenk stabilisiert, ist der Körper versucht, die eigene Stützkraft runterzufahren. Das bedeutet, die Muskulatur wird abgebaut.
Richtig eingesetzt, sind Orthesen jedoch durchaus sinnvoll – zum Beispiel bei einem Wanderurlaub in den Bergen, bei Renovierungsarbeiten oder wenn der Beruf gerade körperlich besonders fordert. Dann kann die Stütze wie eine Art Pausentaste wirken – nur eben nicht als tägliche Fernbedienung für das schmerzende Knie.
Hydrotherapie
Ganz anders sieht es bei der Hydrotherapie aus: Übungen im warmen Wasser entlasten die Gelenke durch den Auftrieb, entspannen durch Wärme und fördern durch Wasserdruck die Durchblutung. Viele Schwimmbäder bieten heute spezielle Arthrose-Kurse an. Die Effekte sind mehrfach positiv und wissenschaftlich belegt.
Technik-Tools im Check
Weniger überzeugend schneiden technische Geräte wie Magnetfeld-, Ultraschall- oder Mikrowellentherapie ab. Studien bescheinigen ihnen meist nur geringe Effekte [7]. Das bedeutet nicht, dass sie wirkungslos sind – aber sie sollten nicht als Hauptsäule der Therapie angesehen werden.
Wann lohnt eine Operation bei Arthrose?
Noch vor wenigen Jahren waren Knorpelglättungen per Arthroskopie Standard. Doch der Nutzen konnte nicht belegt werden – inzwischen haben Krankenkassen diese Eingriffe aus dem Routineprogramm gestrichen.
Ein künstliches Kniegelenk kann eine gute Lösung sein, wenn Schmerzen unerträglich sind und Bewegung trotz Therapie kaum mehr möglich ist. Doch eine Prothese verlangt aktives Mitwirken: Lebenslanges Training ist nötig, um Haltbarkeit und Funktion zu sichern. Nur wenn konservative Maßnahmen ausgeschöpft sind, sollte eine Operation ernsthaft erwogen werden. Nicht selten verbessert sich die Lebensqualität bereits in der sogenannten „Wartezeit“ so deutlich, dass eine OP aufgeschoben oder ganz vermieden werden kann.
Zudem ist jede Operation mit Risiken verbunden. Schätzungen zufolge entwickeln 10–15 Prozent der Patient:innen eine Arthrofibrose – eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung durch übermäßige Bindegewebsbildung.
Lesen Sie dazu: Wie entsteht Arthrofibrose?
Sie sind die beste Medizin!
Über eine Sache müssen wir uns einig sein: „Auf der Couch wird es nicht besser.“ Wenn Sie aktiv werden, wirkt sich das nicht nur auf Ihren physischen Körper aus. Bewegung hebt die Stimmung, stärkt das Herz-Kreislauf-System, fördert Schlafqualität und soziale Kontakte. Und wer merkt, dass er selbst Einfluss auf seine Beschwerden hat, gewinnt Zuversicht – ein nicht zu unterschätzender Faktor in jedem Therapieplan.
Fünf konkrete Schritte für Ihren Alltag
Starten Sie heute. Drehen Sie eine zehnminütige Runde um den Block – als Signal an Ihren Körper und sich selbst.
Suchen Sie professionelle Begleitung. Eine physiotherapeutische Praxis mit Erfahrung in Arthrosebehandlung hilft Ihnen, ein sicheres Programm zu finden.
Setzen Sie auf kleine Ziele. Ein Gericht pro Tag gesünder gestalten, zwei Kilo bis Weihnachten, dreimal pro Woche 20 Minuten Radfahren – das ist machbar.
Achten Sie auf Signale. Ein leichtes Zwicken ist okay – brennender Ruheschmerz nicht. In dem Fall: Belastung anpassen und Rücksprache halten.
Entdecken Sie Neues. Ob Nordic Walking, Tanz oder Aquafitness – Abwechslung tut Knorpel und Kopf gut.
Quellen:
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), S3-Leitlinie Gonarthrose, 2025
Fransen M. et al., Exercise for osteoarthritis of the knee, Cochrane Database of Systematic Reviews
Guilak F. et al., Adiposity and inflammation in osteoarthritis, Journal of Orthopaedic Research, 2018.
Andriacchi TP et al., Biomechanics of walking and stair climbing in relation to the knee, Journal of Biomechanics,
Babatunde OO et al., Benefits and harms of knee braces for osteoarthritis, Systematic Review, BMJ, 2025
Bartels EM et al., Aquatic exercise for the treatment of knee and hip osteoarthritis, Cochrane Database
Waller B et al., Effects of pulsed electromagnetic fields and ultrasound in OA: Systematic review, Osteoarthritis and Cartilage
Ranstam J. et al., Arthroscopy in knee OA: a consensus statement, British Medical Journal (BMJ)
Mayr HO et al., Arthrofibrosis following total knee arthroplasty, Archives of Orthopaedic and Trauma Surgery, 2019.