Kalkschulter: So hilft Osteopathie
- Sascha Bade
- 27. März
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. März
Wenn anhaltende Schmerzen in der Schulter bestehen, kann die Ursache dafür eine „Kalkschulter“ (medizinisch: Tendinosis calcarea) sein. Betroffene berichten nicht selten von starken Bewegungseinschränkungen, nächtliche Schmerzen und einem allgemeinen Unwohlsein, das sich auf den gesamten Alltag auswirken kann.

Inhaltsverzeichnis:
Ganzheitlich behandelt: Wie Osteopathie die Kalkschulter lindert
Vom Kopf bis zum Fuß: Warum Schulterprobleme nie isoliert sind
Rechtzeitig behandeln, dauerhaft profitieren: Die Vorteile früher Intervention
Einblick in die Praxis: Wie osteopathische Techniken Schulterprobleme lösen
Vorbeugen statt operieren: Nachhaltige Strategien für die Schultergesundheit
Oft beginnt alles schleichend mit leichten Schmerzen, dann häufen sich Episoden akuter Entzündungen – und in vielen Fällen kommt es zur Ausbildung spürbarer Calciumeinlagerungen in den Sehnenbereichen. Am häufigsten ist hier die Supraspinatus-Sehne betroffen.
Medizinisch können zur Behandlung verschiedene Wege eingeschlagen werden: Physiotherapie, Ultraschall, Injektionen mit Schmerzmitteln oder Kortison sowie Stoßwellenbehandlungen sind gängig. Wenn sich die Ablagerungen verfestigt haben und starke Beschwerden verursachen, wird mancherorts eine operative Entfernung des Kalkdepots angeraten. Hinter jedem Therapiekonzept steht das Ziel, Schmerzen zu lindern, Funktion wiederherzustellen und Spätschäden wie einen möglichen Sehnenriss der Rotatorenmanschette (Supraspinatus-Ruptur) zu verhindern.
Ganzheitlich behandelt: Wie Osteopathie die Kalkschulter lindert
Im Gegensatz zum rein orthopädisch fokussierten Zugang verfolgt die Osteopathie einen ganzheitlichen Ansatz. Das bedeutet, dass der Schulterbereich nicht als isolierte Baustelle betrachtet wird. Ähnlich wie in einem komplexen Rohrleitungssystem können Störungen in scheinbar weit entfernten Bereichen Einfluss auf die Schulter nehmen. Dabei spielt der gesamte Körper eine Rolle – von der Wirbelsäule über die Muskulatur und Faszien bis hin zu inneren Organen.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Stellen Sie sich vor, Ihre Schulter sei wie ein kleines Gewässer in einer Landschaft. Kalk kann sich nur ablagern, wenn bestimmte Bedingungen in diesem kleinen See gegeben sind. Doch was, wenn der Zufluss aus einem Bach (anderswo im Körper) stark mineralhaltig ist, oder wenn ein weiter entfernt gelegener Damm (beispielsweise eine Funktionsstörung in einem Organ) den Fluss der Nähr- und Mineralstoffe verändert? Genau hier setzt die Osteopathie an – nicht nur die Kalkablagerung selbst, sondern auch deren mögliche Entstehungsbedingungen werden untersucht.
Vom Kopf bis zum Fuß: Warum Schulterprobleme nie isoliert sind
Osteopathinnen und Osteopathen sehen den Körper als dynamische Einheit. Verspannungen, Fehlhaltungen oder Kompressionspunkte können sich auf Blutgefäße, Lymphbahnen und Nervenleitfähigkeit auswirken. Im Fall der Schulter bedeutet das konkret:
Regionale Strukturen: In unmittelbarer Nähe des Schmerzes wird häufig mit sanften Techniken wie „Unwinding“ gearbeitet. Dies ist eine entspannende Technik, die Gewebe entlastet und dem Körper Impulse zur Selbstregulation gibt. Auch das Anheben der Faszie des Deltamuskels kann Druck auf die entzündete Sehne reduzieren und Schmerzen lindern.
Der Schultergürtel: Das Schlüsselbein (Clavicula) und die umgebenden Faszien spielen eine zentrale Rolle für die optimale Blut- und Lymphversorgung der Schulter. Wenn dort (zum Beispiel durch Narbengewebe oder falsche Belastungen) Spannungen bestehen, kann dies die Regeneration bremsen.
Die Hals- und Brustwirbelsäule: Einschränkungen oder Fehlstellungen, etwa durch verkürzte Muskeln, eingeklemmte Nerven oder Blockaden einzelner Wirbel, beeinflussen unmittelbar die Schulterfunktion. Außerdem verlaufen wichtige Gefäße – Arteria und Vena subclavia – unterhalb des Schlüsselbeins. Sind sie durch Muskeln (beispielsweise den Musculus pectoralis minor) oder Faszien (Fascia clavipectoralis) eingeengt, verschlechtert sich die Versorgung des Schultergelenks.
Innere Organe: Osteopathie bezieht in die Untersuchung auch Organe wie Herz, Lunge, Magen-Darm-Trakt oder Urogenitalorgane ein. Alle sind über fasziale Stränge (Zentralsehne, die von der Schädelbasis bis zum Beckenboden reicht) miteinander verbunden. Dies kann Einfluss auf den Hormon- und Mineralstoffhaushalt haben, der für Einlagerungen von Calcium mitverantwortlich sein kann. Störungen in der Nebenschilddrüse oder eine Dysbalance durch Stress (Nebennieren) können den Calciumstoffwechsel beeinflussen.

Der Körperkompass
Gesundheitswissen aus der Osteopathie-Praxis
Bestell-Nr. 1582ISBN-13: 978-3-8434-1582-8
248 Seiten, 154 x 205 mm, broschiert, mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Rechtzeitig behandeln, dauerhaft profitieren: Die Vorteile früher Intervention
Anfangs besitzt das Gewebe eine erstaunliche Selbstheilungstendenz. Kleine Kalkablagerungen können sich, begünstigt durch ausreichend Bewegung im schmerzfreien Bereich, oftmals von allein zurückbilden oder zumindest keine Beschwerden verursachen. Damit es nicht zu bleibenden Schäden kommt, ist es wichtig, frühzeitig nach ganzheitlichen Ursachen zu forschen – insbesondere, wenn der orthopädische Standardweg nur vorübergehende Entlastung bringt oder bereits eine hohe Schmerzsituation vorliegt.
Je früher eine übergreifende Behandlung erfolgt, desto größer sind die Chancen, einer Operation zu entgehen. In manchen Fällen kann sogar die vollständige Regeneration des Gewebes erreicht werden. Dafür muss jedoch nicht nur die unmittelbare Schulterregion in den Blick genommen werden, sondern auch mögliche Störfelder anderswo im Körper.
Aktiv bleiben: Sportliche Aktivitäten trotz Kalkschulter
Bewegung spielt eine zentrale Rolle im Genesungsprozess. Grundsätzlich gilt, dass Tätigkeiten, die keine oder nur geringe Schmerzen verursachen, sinnvoll sein können, um den Stoffwechsel in Gang zu halten. Leichte Haushaltsarbeiten oder Spaziergänge sorgen für eine moderate Belastung und fördern die Durchblutung. Entscheidend ist, die Balance zwischen zu viel und zu wenig Belastung zu finden.
In der späteren Behandlungsphase raten Ärztinnen und Ärzte häufig zu Krankengymnastik, Ultraschall und Stoßwellentherapie. Auch Wärmebehandlungen und Dehnübungen können sinnvoll sein. Bei starken Schmerzen kommen Injektionen oder Schmerzmittel zum Einsatz, wobei letztere unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen können.
Einblick in die Praxis: Wie osteopathische Techniken Schulterprobleme lösen
Muscle Energy Technique (MET): Muscle Energy Techniques (MET) sind aktive Verfahren, bei denen die Patientin bzw. der Patient bestimmte Muskelgruppen gezielt anspannt, während der/die Osteopath:in einen Gegenzug hält oder leichten Widerstand bietet. Anschließend folgt eine Entspannungsphase, in der das Gewebe nachgibt. Bei einer Kalkschulter kann es zu Muskelverspannungen (z. B. im Schulter-Nacken-Bereich) kommen, die zu Fehlhaltungen führen. Durch die gezielte Kontraktion und anschließende Entspannung lässt sich die Muskulatur lockern und die Beweglichkeit steigern.
Strain-Counterstrain (auch „Positional Release Therapy“): Strain-Counterstrain ist eine sehr sanfte Technik, bei der Schmerzpunkte (Tender Points) im Gewebe ausfindig gemacht werden. Anschließend bringt der/die Osteopath:in das betroffene Körpersegment in eine Position maximaler Entspannung, sodass die Spannung um den Tender Point herum deutlich reduziert wird. Durch das Halten dieser entspannten Position wird ein Reflex ausgelöst, der Muskel- und Faszienspannungen reduziert. Gerade bei akuten Schmerzen in der Schulter (z. B. bei Entzündungen durch Kalkablagerungen) kann dies zu einer raschen Erleichterung beitragen. Die sanften Impulse wirken zudem beruhigend auf die Nozizeptoren (Schmerzrezeptoren). Häufig nimmt nicht nur der lokale Schmerz ab, sondern das gesamte Nervensystem beruhigt sich, was den Heilungsprozess unterstützt.
Unwinding: Diese sanfte Technik setzt auf eine quasi intuitive Entspannung des betroffenen Gewebes. Die Osteopathin oder der Osteopath „folgt“ dem Gewebe in der Bewegung, bis ein natürlicher Entspannungspunkt gefunden ist. Dies kann helfen, Druck von entzündeten Strukturen zu nehmen.
Myofascial Release: Myofascial Release ist eine Technik, bei der gezielt verhärtete oder verklebte Faszien („myofasziale Triggerpunkte“) gelöst werden. Die Osteopathin oder der Osteopath übt dabei nur so viel Druck aus, dass die Faszien langsam nachgeben können.
Faszien umhüllen Muskeln und Sehnen. Im Schulterbereich kann es zu Verklebungen kommen, etwa zwischen den Schichten um den Deltamuskel, die Supraspinatus-Sehne oder das Schlüsselbein herum. Wird dieses Gewebe gelöst, verbessert sich die Gleitfähigkeit und damit die Bewegungsfreiheit des Gelenks. Gerade am Deltamuskel kann ein behutsames „Anheben“ der Faszie zur Entspannung und Entlastung beitragen. Weniger Druck bedeutet oft weniger Schmerz und bessere Durchblutung.
Behandlung des Schlüsselbeins: Da die wichtigsten Gefäße für die Schulterversorgung direkt unter dem Schlüsselbein verlaufen, kann eine osteopathische Mobilisation dieser Region die Durchblutung verbessern und Stauungen lösen.
Viszerale Behandlung: Die viszerale Manipulation widmet sich den inneren Organen (Viszera) und den sie umgebenden Faszien. In der Osteopathie wird davon ausgegangen, dass Einschränkungen im Organbereich (z. B. Leber, Darm, Lunge) sich auf den Bewegungsapparat übertragen können. Selbst vermeintlich weit entfernte Organe wie Darm, Lunge oder Niere können eine Rolle spielen, wenn es um die Regenerationsfähigkeit des Körpers geht. Eine Organbewegungseinschränkung, gestörte Faszienzüge oder ein suboptimaler Stoffwechsel können – metaphorisch gesprochen – „versteckte“ Ursachen für Calciumeinlagerungen darstellen.

Harmonie statt Disharmonie: Wie alle Körperstrukturen zusammenspielen
Um zu verdeutlichen, wie komplex und vernetzt der Körper ist, eignet sich der Vergleich mit einem Orchester. Jede Gruppe von Instrumenten (Muskeln, Faszien, Knochen, Organe, Stoffwechselprozesse) spielt ihre eigene Melodie. Wenn jedoch in einer Instrumentengruppe eine Disharmonie auftritt, kann das Zusammenspiel im gesamten Orchester leiden. Anstatt nur das „falsche“ Instrument (die Kalkschulter) stummzuschalten, versucht die Osteopathie, die übergeordneten Abläufe zu harmonisieren.
Vorbeugen statt operieren: Nachhaltige Strategien für die Schultergesundheit
Osteopathische Behandlung hört nicht mit der Linderung der akuten Beschwerden auf. Vielmehr geht es darum, den Körper langfristig in einen Zustand zu bringen, in dem Ablagerungen sich gar nicht erst bilden können. Daher schließt die Nachsorge auch Aspekte wie Ernährung, Stressmanagement und gezielte Bewegungsübungen ein.
Ernährung: Ein stabiler Hormon- und Mineralstoffhaushalt setzt eine gute Versorgung mit Nährstoffen voraus. Das bedeutet, auf eine ausgewogene, calcium- und magnesiumreiche Kost zu achten, gleichzeitig aber auch den Darmgesundheit nicht zu vernachlässigen.
Stressmanagement: Dauerhafter Stress beansprucht die Nebennieren und kann den Stoffwechsel durcheinanderbringen. Entspannungstechniken, wie sie im Yoga oder in der Meditation vermittelt werden, tragen zur Stabilisierung bei.
Regelmäßige Kontrolle: Da „unsichtbare“ Dysbalancen (zum Beispiel in der Nebenschilddrüse) langfristig wieder zu Kalkablagerungen führen können, lohnt es sich, regelmäßig – etwa zweimal im Jahr – einen Check-up durchzuführen.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Thema Kalkschulter:
Wie entsteht eine Kalkschulter?
Kann man eine Kalkschulter selbst verhindern?
Welche schulmedizinischen Therapien gibt es?
Ist Osteopathie eine anerkannte Behandlungsmethode?
Welche Rolle spielen Faszien bei der Kalkschulter?
Wann ist eine Operation unvermeidlich?
Kann man trotz Kalkschulter Sport treiben?
Welche Übungen sind sinnvoll?
Wie sieht eine osteopathische Behandlung konkret aus?
Wie viele Behandlungen sind nötig?
Fazit
Die Kalkschulter ist ein komplexes Phänomen, das in seiner Gesamtheit verstanden und behandelt werden sollte. Während schulmedizinisch häufig lokale Ansätze wie Injektionen, Schmerzmittel, Stoßwellentherapie oder letztlich eine Operation zum Tragen kommen, zeigt die Osteopathie einen erweiterten Blickwinkel: Sie nimmt den gesamten Körper in den Fokus, um versteckte Funktionsstörungen, Stoffwechsel-Problematiken und fasziale Spannungsketten aufzudecken und zu behandeln.
Wer frühzeitig handelt und sich nicht nur auf die direkt betroffene Sehne, sondern auf mögliche Ursachen in anderen Körperregionen konzentriert, kann die Chancen auf eine vollständige Regeneration erheblich erhöhen. Letztlich geht es darum, die natürlichen Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen und einer erneuten Ablagerung von Calciumsalzen nachhaltig vorzubeugen.