Kalkschulter: Fakten, Behandlung, Prognosen
- Sascha Bade
- 19. Feb.
- 10 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. März
Eine Kalkschulter (auch „Tendinosis calcarea“ genannt) ist eine Erkrankung, bei der sich Kalk in der Schulter ablagert. Genauer gesagt bilden sich Kalkdepots in den Sehnen der Rotatorenmanschette, besonders häufig in der Supraspinatussehne.

Inhaltsverzeichnis:
Was ist eine Kalkschulter?
Unter dem Begriff „Kalkschulter“ (medizinisch häufig auch als Tendinosis calcarea oder Kalkablagerung in der Rotatorenmanschette bezeichnet) versteht man die Ansammlung von Kalziumkristallen in den Sehnen der Schultermuskulatur. Insbesondere kommt dies in den Sehnen der Rotatorenmanschette, welche für die Stabilität und Beweglichkeit des Schultergelenks verantwortlich ist vor Diese kristallinen Ablagerungen sehen auf Röntgenbildern oft aus wie kleine „Wolken“ oder Partikel. Warum es zur Einlagerung von Kalzium kommt, ist in der Fachwelt nicht abschließend geklärt. Vermutet werden Fehlbelastungen, geringe Durchblutung und winzige Verletzungen im Sehnengewebe.

Entwicklung und typischer Verlauf bei einer Kalkschulter
Die Kalkschulter durchläuft oft – aber nicht immer – vier unterschiedliche Phasen. Diese Phasen können sich zeitlich über Monate oder sogar Jahre erstrecken. Wichtig zu wissen ist, dass nicht jede Kalkschulter jede Phase vollständig durchläuft und dass die Beschwerden von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein können.
1. Phase: Zellumwandlung
In dieser ersten Phase geschieht eine Art „Umbauarbeit“ im Sehnengewebe. Normales Sehnengewebe verwandelt sich allmählich in faserknorpelähnliches Gewebe. Das heißt, die Struktur der Sehne verändert sich, um möglicherweise besser mit einer ungünstigen Versorgungslage (z. B. schlechter Durchblutung) zurechtzukommen.
Beschwerden: In dieser Phase treten meistens gar keine oder nur sehr leichte Schmerzen auf. Viele Betroffene merken deshalb nicht einmal, dass sich in ihrer Schulter etwas verändert.
Warum das passiert: Oft steht eine Minderdurchblutung im Vordergrund, die das Sehnengewebe „stresst“. Der Körper versucht dann, die Sehne anzupassen.
2. Phase: Verkalkung
Nun beginnt die eigentliche Kalk-Einlagerung in die veränderten Sehnenanteile. Man kann sich das so vorstellen, dass das faserknorpelige Gewebe teilweise abstirbt und an diesen Stellen Kalk entsteht oder abgelagert wird. Dadurch kann ein sichtbares Kalkdepot entstehen. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich die Verkalkung bei einer Ultraschalluntersuchung oft schon gut erkennen. Im weiteren Verlauf kann auch eine Röntgenaufnahme diese Kalkdepots sichtbar machen.
Mögliche Beschwerden: Manche Patienten haben in dieser Phase weiterhin keine großen Schmerzen. Andere spüren jedoch bereits einen deutlichen Druck- oder Bewegungsschmerz, vor allem wenn der Arm gehoben wird. Durch das dickere Sehnengewebe kann der Raum unter dem Schulterdach (Akromion) enger werden. Das nennt man „Impingement“. Die Sehnen und Schleimbeutel können gereizt oder eingeklemmt werden, was sich dann als Schmerz beim Anheben oder Drehen des Armes zeigt.
3. Phase: Resorption
Diese Phase ist für viele Betroffene die unangenehmste und schmerzhafteste. Der Körper erkennt das Kalkdepot als „Fremdkörper“ und startet einen Auflösungs- bzw. Abbauprozess. Das Kalkgewebe wird entzündlich abgebaut und kann sich teilweise in andere Bereiche ausbreiten, beispielsweise in den Schleimbeutel.
Starke Schmerzen möglich: Die Entzündung, die beim Zerfall des Kalkdepots entsteht, kann heftige Schulterschmerzen auslösen. Die Schmerzen treten oft sehr plötzlich und schubweise auf. Manche Menschen berichten von nächtlichen Schmerzen, die das Schlafen stark beeinträchtigen.
Entzündungsreaktionen: Da Kalkstücke oder kalkhaltige Flüssigkeit in den benachbarten Schleimbeutel gelangen können, kommt es häufig zu einer Schleimbeutelentzündung (Bursitis). Diese Entzündung kann die Beweglichkeit deutlich einschränken.
Dauer: Wie lange diese Phase anhält, ist unterschiedlich. Bei manchen Menschen dauern starke Schmerzschübe nur wenige Tage bis Wochen, bei anderen länger.
4. Phase: Reparatur
Nachdem der Kalk weitgehend aufgelöst wurde, beginnt der Körper damit, das betroffene Gewebe zu reparieren. Die Sehne kann sich nun wieder erholen und in ihre normale Struktur zurückfinden.
Seltener Rückfall: In den meisten Fällen bilden sich keine neuen Kalkdepots. Diese erneute Verkalkung (Rezidiv) kommt nur sehr selten vor.
Beschwerdefreiheit: Viele Menschen berichten nach dieser Phase von deutlich weniger oder gar keinen Schulterschmerzen mehr. Oft verbessert sich auch die Beweglichkeit wieder, sofern in den vorherigen Phasen keine größeren Sehnenschäden entstanden sind.
Was jetzt wichtig ist: Bei Bedarf kann Physiotherapie dabei helfen, die Schulter wieder zu stärken und Restbeschwerden zu minimieren. Leichte Kräftigungs- und Mobilisationsübungen unterstützen den Aufbau eines gesunden Sehnengewebes und beugen zukünftigen Problemen vor.

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Symptome: Wie merkt man, dass man eine Kalkschulter hat?
Schleichende Schmerzen: Oft fängt es mit leichten Schmerzen in der Schulter an, ohne klaren Auslöser.
Plötzliche Schmerzattacken: Bei bestimmten Bewegungen, zum Beispiel beim Heben oder Drehen des Armes, können heftige Schmerzen einschießen.
Probleme beim Liegen: Viele Betroffene können nicht mehr auf der betroffenen Schulter schlafen, weil es zu schmerzhaft ist.
Eingeschränkte Beweglichkeit: Der Arm lässt sich oft nur noch unter Schmerzen heben. Manche Menschen halten den Arm unbewusst nah am Körper („Schonhaltung“).
Ausstrahlender Schmerz: In manchen Fällen kann der Schmerz vom Schulterbereich bis in den Nacken oder den Oberarm ausstrahlen.
Ursachen der Kalkschulter
Eine häufige Ursache für die Entstehung einer Kalkschulter ist eine unzureichende Durchblutung des Sehnengewebes. Wenn die Blutversorgung beeinträchtigt ist, gelangt weniger Sauerstoff in die Sehne, was den Stoffwechsel der Zellen stört und den Körper dazu veranlassen kann, in diesem Bereich Kalk einzulagern. Häufig sind Menschen betroffen, deren Sehnen aufgrund von altersbedingten Veränderungen oder bestimmten anatomischen Eigenheiten nicht optimal versorgt werden.
Ein weiterer Faktor, der die Entwicklung einer Kalkschulter begünstigen kann, ist eine ständige oder starke Beanspruchung der Schulter, insbesondere bei Tätigkeiten über Kopf. Typische Beispiele sind Malerarbeiten, Montagearbeiten an Decken oder Sportarten wie Volleyball und Schwimmen, bei denen der Arm immer wieder weit nach oben geführt wird. Wird das Sehnengewebe regelmäßig überlastet, können kleine Schäden entstehen, die der Körper versucht zu reparieren. In diesem Reparaturprozess kann die Durchblutung zusätzlich beeinträchtigt werden, was wiederum Kalkablagerungen fördern kann.

Schließlich spielen auch Fehlhaltungen und Schonhaltungen eine Rolle. Wer zum Beispiel berufsbedingt viel am Schreibtisch sitzt und dabei die Schultern hochzieht oder sich im Alltag falsch hält, übt dauerhaft ungünstigen Druck auf die Rotatorenmanschette aus. Dabei kommt es oft zu Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich, welche die natürliche Bewegung einschränken und den Stoffwechsel in der Sehne beeinträchtigen können. In der Folge entsteht auch hier ein Milieu, das Verkalkungen begünstigt. Letztlich sind die Ursachen bei jedem Menschen unterschiedlich, und nicht jeder entwickelt automatisch eine Kalkschulter, nur weil er viel über Kopf arbeitet oder gelegentlich eine falsche Haltung einnimmt.
Differentialdiagnose
Manche Schulterprobleme sehen einer Kalkschulter sehr ähnlich. Deshalb muss der Arzt andere Erkrankungen ausschließen, zum Beispiel:
Rotatorenmanschettenriss: Dabei ist eine Sehne teilweise oder ganz gerissen.
Schleimbeutelentzündung (Bursitis): Kann auch ohne Kalkablagerungen auftreten.
Frozen Shoulder (Schultersteife): Die Gelenkkapsel wird steif, was zu starken Bewegungseinschränkungen führt.
Arthrose im Schultergelenk: Knorpelverschleiß, der oft mit Schmerzen und Bewegungseinschränkung einhergeht.
Wie stellt der Arzt eine Kalkschulter fest?
Zuerst fragt der Orthopäde nach Ihren Beschwerden und fühlt die Schulter ab. Oft zeigt ein Ultraschall schnell, ob Kalk in der Sehne ist. Später kann auch eine Röntgenaufnahme den Kalk sichtbar machen. Ein MRT (Kernspin) ist bei der Diagnose der Kalkdepots nicht immer nötig, kann aber eingesetzt werden, um andere Schäden (z. B. Einrisse in der Sehne) zu erkennen.

Wie wird die Kalkschulter behandelt?
Die Behandlung einer Kalkschulter ist immer abhängig vom aktuellen Entzündungszustand, der Größe der Kalkeinlagerung und den individuellen Beschwerden des Patienten. Grundsätzlich gilt, dass zunächst konservative Maßnahmen ausprobiert werden, bevor eine Operation in Betracht gezogen wird. Das Ziel aller Therapieformen ist es, Schmerzen zu lindern, die Entzündungsprozesse zu reduzieren und die Schulter so beweglich wie möglich zu halten. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Behandlungsmöglichkeiten:
Medikamentöse Schmerz- und Entzündungshemmung
Häufig werden zunächst schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente (wie Ibuprofen oder Diclofenac) eingesetzt. Diese wirken sowohl gegen akute Schmerzen als auch gegen die Entzündung im Sehnen- und Schleimbeutelbereich. Zusätzlich kann eine lokale Betäubung (Injektion von Lokalanästhetika, ggf. mit Kortison) schnelle Linderung verschaffen. Der Zweck der medikamentösen Therapie liegt vor allem darin, den akuten Schmerz zu reduzieren und so den Betroffenen überhaupt erst in die Lage zu versetzen, physiotherapeutische Übungen sinnvoll durchzuführen.
Physiotherapie
In der Physiotherapie werden gezielte Übungen vermittelt, um die Schultergelenke zu mobilisieren und die umgebende Muskulatur zu stärken. Gleichzeitig wird darauf geachtet, schmerzhaftes Einklemmen (Impingement) zu vermeiden und falsche Bewegungsmuster zu korrigieren. Der primäre Zweck liegt darin, eine Schultersteife zu verhindern, das Sehnengewebe möglichst gut zu durchbluten und den Stoffwechsel in der betroffenen Region anzuregen. Regelmäßige Übungen verbessern die Koordination und Stabilität der Rotatorenmanschette und beugen Folgeschäden vor.
Osteopathie
Die Osteopathie betrachtet den menschlichen Körper als zusammenhängendes System, in dem sich Funktionsstörungen in einem Bereich auf andere Körperregionen auswirken können. Ein Osteopath untersucht daher nicht nur die Schulter selbst, sondern auch angrenzende Bereiche wie Nacken, Brustwirbelsäule und Rippen. Ziel der osteopathischen Behandlung ist es, Blockaden und Bewegungseinschränkungen zu lösen, sodass das Gewebe besser durchblutet wird und sich der Stoffwechsel optimiert.
Zusammenhänge bei der Kalkschulter: Ein Beispiel ist die Faszienkette, die vom Nacken über den Schultergürtel bis in den Brustkorb reicht. Wenn etwa die Brustwirbelsäule sehr unbeweglich ist, verändert sich die Lage des Schulterblattes – und dadurch der Anpressdruck der Sehnen im Schulterdach. Beim osteopathischen Behandeln kann der Therapeut an der Brustwirbelsäule gezielt Lockerungen vornehmen, sodass sich die Haltung und Statik der Schulter verbessert. Dieses Zusammenspiel kann dazu führen, dass die Durchblutung in der Schulterregion steigt und der Körper das Kalkdepot besser abbauen oder zumindest die Entzündungsreaktionen reduzieren kann.
Stoßwellentherapie
Bei der Stoßwellentherapie werden hochenergetische Schallwellen gezielt auf die schmerzhaften Kalkdepots gerichtet. Dadurch können sich die Kalkablagerungen zersetzen, sodass der Körper sie besser abbauen oder resorbieren kann. Zusätzlich regen Stoßwellen die Durchblutung und Heilungsprozesse in der Sehne an. Die Therapie erfolgt meist in mehreren Sitzungen und kann eine Alternative zu einer Operation sein, insbesondere wenn das Kalkdepot noch nicht allzu groß oder verhärtet ist.
Matrix-Rhythmus-Therapie
Die Matrix-Rhythmus-Therapie setzt auf sanfte Schwingungen, die das Gewebe in Vibration versetzen. Dadurch soll der Stoffwechsel in der Umgebung der Sehne aktiviert und der Abtransport von Entzündungsstoffen begünstigt werden. Gleichzeitig können Verspannungen in der umgebenden Muskulatur gelöst werden, was wiederum die Schulterbeweglichkeit verbessert.
Operation
Erst wenn konservative Maßnahmen längerfristig nicht helfen, das Kalkdepot sehr groß ist oder extrem harte Ablagerungen vorliegen, zieht man eine Operation in Betracht. Meist wird minimalinvasiv (arthroskopisch) operiert. Dabei entfernt der Chirurg die Kalkdepots und erweitert den Raum unter dem Schulterdach. Nach dem Eingriff sollte die Schulter einige Wochen geschont werden, um einen Reizzustand zu vermeiden. Anschließend hilft eine Physiotherapie dabei, die Beweglichkeit und Stabilität wiederherzustellen.
FAQ: Häufige Fragen zum Thema Kalkschulter:
Kann die Kalkschulter von selbst wieder verschwinden?
Ist eine Kalkschulter dasselbe wie eine Frozen Shoulder?
Ist eine Kalkschulter gleich Arthrose?
Hilft Bewegung oder Ruhe bei einer Kalkschulter?
Welche Rolle spielt die Ernährung bei einer Kalkschulter?
Wie lange dauert die Heilung einer Kalkschulter?
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einer Kalkschulter?
Welche Übungen helfen bei einer Kalkschulter?
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Ist Rauchen ein Risikofaktor für die Kalkschulter?
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Fazit:
Die Kalkschulter kann bei manchen Menschen unangenehm und langwierig sein. Zum Glück kommt es oft zu einer spontanen Heilung, wenn das Kalkdepot vom Körper selbst aufgelöst wird. Mit konservativen Verfahren wie Physiotherapie , Osteopathie oder Matrix-Rhythmus-Therapie lassen sich die Beschwerden in vielen Fällen deutlich verbessern. Bleiben die Schmerzen trotz aller Maßnahmen, ist eine Operation eine gute Option.
Wer achtsam mit seiner Schulter umgeht, sie regelmäßig bewegt und auf eine entzündungsarme Ernährung achtet, kann viel dafür tun, einer Kalkschulter vorzubeugen oder sie wieder loszuwerden. Sollten Sie starke oder dauerhafte Schmerzen verspüren, wenden Sie sich an einen Orthopäden, der auf Schulterprobleme spezialisiert ist.
(Hinweis: Dieser Text ersetzt nicht das Beratungsgespräch mit einem Arzt. Bei anhaltenden oder starken Beschwerden suchen Sie bitte unbedingt einen Facharzt auf.)